Offener Brief an Frau Ursula von der Leyen Bundesministerium für Arbeit und Soziales

ZEITARBEIT – Neue Tarifverträge VGZ – IG Metall /BCE

Bundesministerium für Arbeit und Soziales
Frau Ursula von der Leyen
Wilhelmstraße 49
10117 Berlin (Mitte)

25.09.2012

ZEITARBEIT – Neue Tarifverträge VGZ – IG Metall /BCE

Sehr geehrte Frau Ministerin,

die Arbeitgeber der Zeitarbeitsbranche (VGZ), sowie die IG Metall und die IG BCE, haben Ihnen einen so genannten Branchenzuschlagstarifvertrag vorgelegt.

Dieser Vorschlag entspricht bei Weitem nicht meinen Vorstellungen als Zeitarbeitgeber für rund 200 Zeitarbeitnehmer.

Bisher habe ich noch keinen Kollegen gefunden, der diese Verträge für sinnvoll hält.
Meine Kritik und meine Empfehlungen füge ich bei.

Meine Bitte:
Stoppen Sie diese Verträge! Diese Verträge sind weder zielführend noch administrativ oder juristisch in der vorliegenden Form beherrschbar.

Mit freundlichen Grüßen
Scholl Personal Partner GmbH
Wilfried Scholl

Dies ist ein offener Brief. Er wird in mehreren Internetforen, sowie
voraussichtlich in der AIP (unserem Branchen-Fachblatt) erscheinen.

MEINE KRITIKPUNKTE IM EINZELNEN

1.
Es wurden neue Tarifverträge geschlossen, die für 70% der Zeitarbeiter keine wesentliche Bedeutung haben.

In diese Gruppe fallen z.B. Ingenieure, Techniker, IT-Kräfte, medizinisches Personal, Pflegekräfte, Office Personal, Facharbeiter wie Schweißer, Dreher, Fräser, Mechatroniker, Maurer, Schlosser.

Qualifizierte Fachkräfte erhalten schon heute Equal Pay oder mehr. Wer nicht bereit ist, ihnen das zu bezahlen, bekommt nicht die Mitarbeiter, die er benötigt. Der Bedarf an qualifizierten Kräften ist höher als das Angebot. Angebot und Nachfrage regeln hier die Entlohnung.

2.
Für 30% der Zeitarbeiter, das sind gering Qualifizierte und darum Niedriglöhner, werden sich die neuen Tarifverträge negativ auswirken. Die Kunden werden nicht bereit sein für diese Gruppe Zuschläge von bis zu 50% zu zahlen. Sie werden nicht in Löhne investieren, sondern in Rationalisierung. Der Trend wird sich beschleunigen, Arbeitsplätze für gering Qualifizierte zu streichen oder zu exportieren (siehe Frankreich). Ein Arbeitsplatz muss schließlich mehr erwirtschaften als er kostet. Das ist eine betriebs- wirtschaftliche Binsenweisheit. Demzufolge wird sich der Anteil der gering qualifizierten Langzeitarbeitslosen erheblich steigern und die Sozialkassen belasten. Das kann die Politik nicht wollen. Auch nicht die Gesellschaft. Aus 2 Millionen Niedriglöhnern (2011) können schnell 4 Millionen werden, die keinen Arbeitsplatz finden, weil sie -gemessen an ihrer Qualifikation- einfach zu teuer geworden sind.

3.
Die Schwarz-gelbe Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen, die Bürokratie zu bekämpfen. Die vorgelegten Tarifverträge sind ein Bürokratie-Monster. Beispiel: Die Seitenzahl eines Überlassungsvertrages hat sich durch die neuen Verträge verzehnfacht (IGZ-Vorschlag).

Die neuen Verträge sind administrativ nicht beherrschbar. Wir arbeiten in 6 unterschiedlichen Branchen (das trifft für andere Zeitarbeitgeber in ähnlicher Weise zu). Das heißt: Für 200 Mitarbeiter müssen Entgelte in 6 Branchen und 5 Zeitstufen, 5 Entgeltgruppen getrennt nach Industrie- und Handwerksbereichen, monatlich neu berechnet werden. Zu berücksichtigen sind dabei Urlaubstage, Krankheitstage, tarifliche Sonderzahlungen und abzurechnende Zeitkonten in unterschiedlichen Branchen, bei ungefähr 80 Kunden, mit individuellen tariflichen Verpflichtungen.

Es soll eine Lohngerechtigkeit hergestellt werden. Durch überzogene Administration ist das nicht machbar. Das zeigen auch 72.000 (zweiundsiebzigtausend!) Tarifverträge, die zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften vereinbart wurden und heute Gültigkeit haben.

4.
Die unterschiedlichen Einsatzzeiten und Branchenzuschläge bewirken ein nicht planbares Einkommen der Mitarbeiter. Mitarbeiter, auch Zeitarbeiter, wollen ein festes und verlässliches Einkommen. Das ergab eine repräsentative Studie der
IG-Metall zum Thema „was ist gute Arbeit“. Die neuen Tarife bewirken genau das
Gegenteil. Die Frage „was verdiene ich?“ kann nicht korrekt beantwortet werden.

Eine Schwankungsbreite der Monatsentgelte von über 100 Euro machen in dieser Gruppe viel aus. Eine Budgetplanung ist nicht möglich.

5.
Die vorgelegten Tarifverträge gehen am Problem vorbei. Das Problem liegt nicht am niedrigen Lohn, sondern an der geringen Qualifikation. Hier sind nicht die Zeitarbeitunternehmen gefordert, sondern die Politik. Viele, viel zu viele Menschen sind nicht ausbildungsfähig und nicht berufsfähig. Darum landen sie im Niedriglohnsektor und später in der Altersarmut. An der Entwicklung ändert sich durch die neuen Verträge überhaupt nichts. Das Gegenteil ist der Fall: Sie hindern uns daran, Unqualifizierte zu qualifizieren. Dabei ist der Qualifikationsprozess bisher ein wesentlicher Bestandteil unserer täglichen Arbeit. Im Übrigen zeigt ein Vergleich der Entgelte in den niedrigsten Entgeltgruppen, dass Zeitarbeitnehmer mit Abstand in der Spitzengruppe liegen (siehe Kasten). Hinzu kommen Sonderzahlungen für Urlaub und Weihnachten, sowie für die Betriebszugehörigkeit.

6.
Das Hauptproblem aus meiner Sicht sind die wenigen schwarzen Schafe dieser Branche. Es gibt Zeitarbeitgeber (und Kunden von ihnen) die gerade im Niedriglohnsektor Mitarbeiter tatsächlich ausbeuten indem sie ihnen nicht das geben was sie laut Gesetz geben müssten (Entgelt, Überstunden, Sonder- zahlungen, Zeitkonten, Urlaub etc.). Solange es billiger ist, Strafe zu zahlen anstatt Gesetze einzuhalten, ändert sich nichts. Die neuen Tarifverträge sind nicht vom Zoll überprüfbar und nicht von den Landesarbeitsämtern, die heute schon personell überfordert sind. Auch hier gilt: Wo kein Kläger ist, wird es auch keinen Richter geben.

7.
Selbsternannte Richter allerdings gibt es zur genüge. Medien, bestimmte Politiker und Gewerkschaftsfunktionäre stürzen sich auf jede Meldung von vermeintlicher Ungerechtigkeit und erheben Einzelfälle zur Normalität in dieser Branche. Sie setzen die Branche unter den Generalverdacht der Ausbeutung von Menschen. (Zeitarbeit ist Sklavenarbeit, Michael Sommer DGB) Auch daran ändert der neue Tarifvertrag nichts. FAZ vom 17.9.2012, Steinmeier warnt vor dem Abdriften der Zeitarbeit in eine parallel Gesellschaft (weniger als 1,5% aller Arbeitsverträge sind Verträge mit Zeitarbeitsfirmen).

AUS DER PRAXIS HERAUS BITTE ICH SIE DARUM, IN IHREM HAUSE FOLGENDE LÖSUNGSANSÄTZE FÜR EINE NEUREGELUNG DER ZEITARBEIT ZU DISKUTIEREN.

1.
Das bestehende AÜG wird ergänzt durch Teile des TV LEIZ/ME.
– Angebotspflicht zur Übernahme
– Übernahmepflicht nach 24 Monaten
– Informationspflicht an BR
– Zustimmung des BR

2.
Der bestehende Tarifvertrag wird modifiziert.
In der Entgeltgruppe 1 (ggf.2) werden zeitbezogene Qualifizierungszuschläge
auf das Basisentgelt vereinbart.
– Der Zeitbezug richtet sich nach der Zugehörigkeit zum Zeitarbeitsunternehmen.
– Die Qualifizierung fokussiert sich auf die Entwicklung der Sozialkompetenz
(z.B. Zuverlässigkeit, Engagement, Teamfähigkeit,Lernbereitschaft, Konzentration,
Auftreten).
– Der Zeithorizont geht von 12 Monaten aus. Das heißt: Wer 12 Monate in einem
Zeitarbeitsunternehmen gearbeitet hat, erhält 25% Zuschlag. Damit liegt er – in
dieser Einkommensgruppe – nach 12 Monaten bei Equal Pay minus 10% (wie im
vorliegenden Tarifvorschlag ausgehendvon ERA.ME)

Erreicht wird dadurch:
– Das Entgeltniveau der Geringqualifizierten wird gesteigert, auf das
Einkommensniveau der Stammbelegschaft in dieser Gruppe.
– Das System bietet Anreiz, sich zu entwickeln, es ist transparent und
berechenbar.
– Das System ist einfach zu realisieren, das Ergebnis ist einfach zu
kontrollieren.
– Das System setzt am tatsächlichen Problempunkt an: Qualifizierung der
Sozialkompetenzen (hier liegen die größten Defizite in dieser Gruppe).

3.
Es wird eine Verpflichtung zum Führen einer Q-Card (Qualifizierungskarte) eingeführt. Zeitarbeitgeber und Kunde dokumentieren in dieser Karte Qualifikationen, die der Mitarbeiter durch seine Arbeit erworben hat. Diese Dokumentation führt der Mitarbeiter. Er schafft sich damit ein einsatzbezogenes Dokument als Nachweis für seine Fähigkeiten und Fertigkeiten (das hat er bisher nicht).

4.
Die Landesarbeitsämter werden personell so ausgestattet, dass sie als eine Art von TÜV arbeiten können.
– Regelmäßige Überprüfung der Zeitarbeitsunternehmen mit entsprechender
Zertifizierung (TÜV-Plakette).
– Kleine Inspektion alle 2 Jahre.
– Grosse Inspektion alle 4 Jahre.
– Beim Feststellen von wissentlichen und willentlicher Verstoßen gegen Gesetze und
Tarife können Strafpunkte und Busgelder verhängt werden. Diese können in der
Addition zum Lizenzentzug führen. Arbeitsämter können eine schwarze Liste führen,
deren Ergebnis von örtlichen Betriebsräten abgefragt werden können (bei aktuellem
Bedarf).

5.
Das Ministerium für Arbeit und Soziales wirkt in der Öffentlichkeit darauf hin,
dass Zeitarbeit einen hohen Stellenwert in der Arbeitspolitik hat.
– Zeitarbeit sorgt für eine hohe Flexibilität der Unternehmen.
– Sie schafft damit einen bedeutenden Wettbewerbsvorteil deutscher Unternehmen.
– Sie schafft neue Jobs, sichere Arbeitsverhältnisse mit guter Entlohnung.
– Sie gibt auch denen eine Chance, die das Qualifizierungssystem in Deutschland
bisher nicht nutzen konnten.
– Zeitarbeit vermittelt Fähigkeiten und Fertigkeiten durch praktisches Tun.
– Zeitarbeit schafft Integration.
– Zeitarbeit ermöglicht den Wiedereinstieg in das berufliche Leben.

Es wäre von großem Nutzen, wenn das Ministerium Aktionen gegen die Verleumdungs-kampagnen der Gewerkschaften entwickeln und umsetzen würde.
Die Zeitarbeit ist schließlich Hauptkunde der Bundesagentur für Arbeit. Sie ist eine der Garanten dafür, dass die Agentur einen erfolgreichen Job macht.

Leider haben wir mit unseren Arbeitgeberverbänden keine Lobby.

Zum Unternehmen Scholl Personal Partner GmbH

Das Zeitarbeits- und Personaldienstleitungsunternehmen Scholl Personal Partner hat sich seit seiner Gründung 1998 in Rodgau und Umgebung (Dietzenbach, Langen, Neu-Isenburg, Rödermark) zur ersten Adresse für die Vermittlung von Jobs entwickelt.

Mit rund 200 festangestellten Mitarbeitern ist es heute der größte Arbeitgeber am Standort Rodgau. Und weit mehr Menschen haben über Scholl den Wiedereinstieg in den Beruf oder den Wechsel in eine neue Position geschafft.

Scholl agiert an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Menschen, die einen Job suchen. Das Team hat sich auf Überlassung und Vermittlung von technischen und kaufmännischen Kräften vom Helfer bis hin zur Führungsposition spezialisiert.

Die Scholl Personal Partner GmbH ist TÜV-zertifiziert und zeigt mit dem Fairness-Siegel, das sie als Zeitarbeitsunternehmen und Personalvermittlung fair handelt und kompetent in interessante Jobs in Industrie, Handwerk, Dienstleistung und Verwaltung vermittelt.

Kontakt:
Scholl Personal Partner GmbH
Cordula Döllinger
Krümmlingsweg 46
63110 Rodgau
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