Aller Anfang ist schwer?

Wie die Einführung eines neuen Mitarbeiters gelingt.

Jeder von uns handelt in seinem Alltag nach weitverbreiteten Überzeugungen und diese Überzeugungen erscheinen uns häufig als unumstößliche Gewissheiten. Professionelle Führung gründet sich allerdings auf einer reflektierten Haltung und diese fordert uns auf, Gewissheiten zu überdenken – und wenn es nötig ist, zu revidieren. Auch über die Einführungszeit im Unternehmen gibt es eine Vielzahl von Alltags-Überzeugungen. Stellen wir uns den gängigsten!

Alltags-Überzeugung 1: Aller Anfang ist schwer!

Aller Anfang, so sagt man im Volksmund, ist schwer. Und in der Tat, ein guter Anfang erfordert Zeit und Anstrengung von allen Beteiligten: vom neuen Mitarbeiter, von der Führungskraft und von allen Kollegen. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Anfang deshalb schwer-fällig, schwer erträglich oder ohne jede Leichtigkeit sein darf.

Klaus Kissel, Unternehmensberater und Geschäftsführer von ifsm-Institut für Salesmanagement in Urbar empfiehlt für Ihre Praxis: Als Führungskraft können Sie Probleme in den ersten Tagen und Wochen verhindern, wenn Sie frühzeitig mit den Mitarbeitern sprechen, die den neuen Mitarbeiter einarbeiten. Sagen Sie ihnen, was Sie konkret erwarten, zum Beispiel in welche Systeme der neue Mitarbeiter eingeführt werden soll. Vergessen Sie aber auf keinen Fall, Ihren Mitarbeitern die Zeit zuzugestehen, die sie dafür benötigen. So verhindern Sie, dass der Neue als „zeitraubender Störfaktor“ angesehen wird, der zusätzlichen Stress auslöst.
Sprechen Sie auch mit dem neuen Mitarbeiter. Er muss wissen, dass in der ersten Zeit viele neue Informationen auf ihn einströmen. Und vor allem, dass Sie wissen, dass das anstrengend und komplex für ihn ist. Sagen Sie ihm, dass es Ihnen wichtig ist, dass er die Herausforderung annimmt und die Anfangszeit erfolgreich meistern kann. Dass Sie aber nicht erwarten, dass er alles wissen und alles perfekt schaffen muss! In jedem Fall müssen Sie ihn erkennen lassen, dass Sie und Ihre Mitarbeiter für Fragen offen sind. Die einfache Frage „Was brauchen Sie jetzt von mir?“ am Ende des Einführungsgesprächs signalisiert einerseits Ihre Offenheit und nimmt andererseits den Mitarbeiter in die Verantwortung aktiv an seiner Einarbeitungszeit mitzuwirken.

Alltags-Überzeugung 2: Ein guter Neuanfang braucht Methode!

Gute Methoden und Strategien können den Einstieg eines Mitarbeiters in das Unternehmen erleichtern. Spezielle Schulungen oder Einstiegskonzepte, die es dem Mitarbeiter ermöglichen, verschiedene Abteilungen und Arbeitsbereiche kennenzulernen sind zweifellos eine gute Idee. Allerdings taugt die beste Methode, das beste Konzept nur dann etwas, wenn hinter dem Konzept eine Haltung steht. Führungskräfte, die in die Anfangszeit keine Bedeutung legen oder kein Interesse am neuen Mitarbeiter – als Person – haben, verschenken mit ihrer Haltung viel. Sie laufen Gefahr, dass auch das beste Konzept vom Mitarbeiter als sinnlos empfunden wird und – was für die zukünftige Zusammenarbeit fatal ist – dass der Mitarbeiter selbst das Gefühl bekommt, bedeutungslos zu sein.

Klaus Kissel empfiehlt hier: Nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit und reflektieren Sie, welche Grundeinstellungen Sie zu sich selbst, zum Mitarbeiter und zu guter Arbeit haben. Es macht einen Unterschied, ob Sie zum Beispiel 1. von sich selbst erwarten, immer perfekt zu sein, 2. vom Mitarbeiter erwarten, eine ebensolche Perfektion in der Erfüllung der aufgetragenen Arbeiten zu beweisen und 3. unter Arbeit in erster Linie Leistung verstehen. Oder ob Sie zum Beispiel 1. die Grundeinstellung trägt, selbst Lernender zu sein, der offen ist für neue Ideen und alternative Wege zur Zielerreichung, 2. den Mitarbeiter als Experten für seinen Bereich zu sehen, der sich immer entwickeln kann und 3. Arbeit als die berufliche und persönliche Entwicklung eines Menschen mit immer neuen Zielen verstehen. Überprüfen Sie Ihre Grundeinstellung und überlegen, wie sich diese auf Ihr Handeln und auf Ihre Mitarbeiter auswirkt.

Alltags-Überzeugung 3: Am Anfang nicht überfordern!

Eine Anfangssituation ist für jeden neuen Mitarbeiter eine Zeit, in der so viele neue Reize auf ihn einwirken, dass er sie nicht alle gleich gut verarbeiten kann. Erinnern wir uns an einen eigenen Neuanfang: Wir wurden mit Namen und Informationen von neuen Kollegen und mit neuen Computersystemen konfrontiert. Unser Chef gab uns Informationen über künftige Aufgaben und Projekte. Wir mussten für jeden alltäglichen Handgriff Kollegen um Hilfe bitten – und sei es, um zu erfragen, wie der Anrufbeantworter funktioniert oder wo ein Werkzeug oder Büromaterial zu finden ist. Nach dem Arbeitstag sind wir völlig übermüdet ins Bett gefallen, obwohl wir noch gar nicht mit unseren eigentlichen Aufgaben begonnen hatten. Es liegt auf der Hand, dass ein Mitarbeiter in einer solchen Situation weder viele verschiedene, noch sehr komplexe Aufgaben übernehmen kann. Allerdings heißt das nicht, dass er Aufgaben zugeteilt bekommt, die ihn unterfordern und in keiner Weise seiner Qualifikation entsprechen. Auch die gängige Praxis, den neuen Mitarbeiter mit den Kollegen mitzulaufen zu lassen, ist problematisch. Denn es ist in der Verantwortung der Führungskraft dem Mitarbeiter etwas zuzumuten! Denn Zumutung beinhaltet die Botschaft: „Ich mute dir etwas zu!“. Eine so verstandene Zumutung zeigt Vertrauen und motiviert.

Der Praxistipp von Heike Bruckhuisen, selbständige Trainerin und systemische Beraterin: Auch hier sollte das Gespräch mit dem Mitarbeiter die Grundlage für einen guten Start sein. Was sind seine/ihre Vorstellungen von der neuen Position? Wo sieht er/sieht sie die größten Herausforderungen und worauf freut er/sie sich besonders? Gehen die Vorstellungen weit auseinander, können Sie als Führungskraft hier frühzeitig wichtige Kurskorrekturen vornehmen. Anhand dieses Gespräches gilt es dann, eine gute Auswahl der ersten Aufgaben vorzunehmen. Nehmen Sie die Auswahl der ersten Aufgaben ernst. Suchen Sie Aufgaben, die
1. den Qualifikationen des Mitarbeiters entspricht,
2. ein ausgewogenes Verhältnis von Vorgabe und Freiheit enthält und ein gutes Maß zwischen Herausforderung und Sicherheit bietet.
3. Fehler zulässt – denn in der Anfangszeit ist es nicht relevant, ob Fehler passieren, sondern wie Sie als Führungskraft darauf reagieren!

Alltags-Überzeugung 4: Lob ist wichtig!

Richtig! Die Überzeugung, dass Mitarbeiter durch Lob verhätschelt würden, ist einseitig. Hinter einer solchen Überzeugung steht entweder das Unbehagen, Lob auszusprechen (weil man es vielleicht selbst auch nie erlebt hat) oder eine falsche Definition von Lob. Lob darf natürlich nicht unverhältnismäßig oder bezugslos ausgesprochen werden.

Heike Bruckhuisen empfiehlt: Geben Sie eine klare Rückmeldung: „Herr A., ich möchte Ihnen zu Ihrer Arbeit eine Rückmeldung geben. Mir gefällt es außerordentlich gut, dass Sie selbständig gearbeitet haben und ihre Idee x eingebracht haben. Es ist mir nämlich sehr wichtig, dass Mitarbeiter eigene Ideen einbringen! Mir wäre jetzt wichtig, dass Sie den Punkt y nochmal überarbeiten. Hier wünsche ich mir mehr Detailliertheit …“. Eine kritische Rückmeldung hat zweierlei Funktion: Erstens ist sie sachorientiert. Der neue Mitarbeiter muss und möchte schnell lernen, welche qualitativen Standards von ihm eingefordert werden. Zweitens ist sie beziehungsorientiert. Der neue Mitarbeiter möchte als Person wahrgenommen werden (in diesem Beispiel als eine Person, die kreativ neue Ideen einbringt) und – was für jeden neuen Mitarbeiter elementar wichtig ist – er möchte Sie kennenlernen. Er möchte schnell herausfinden, auf welche Dinge sein Chef Wert legt. Die gute Einschätzung, ob sein Vorgesetzter eher auf schnelle, auf sorgfältige, auf kreative oder auf vorgabentreue Arbeit wert legt, gibt dem Mitarbeiter Handlungssicherheit.
Darüber hinaus sollte jede Führungskraft überlegen, welche Tätigkeiten des Mitarbeiters lobenswert sind. Ein Kollege berichtete mir an der Stelle seine Erfahrung aus der Lehrzeit im Textileinzelhandel. Sein Vorgesetzter lobte ihn, wie ordentlich die Pullover auf der Verkaufsfläche zusammen gelegt seien. In seinem jugendlichen Engagement führte das dazu, dass sich der Auszubildende vor der Pullover-Insel aufbaute und jeden Kunden, der einen der ordentlich gefalteten Pullover auffalten wollte, als seinen Feind betrachtete.
So amüsant das Beispiel sein mag: Loben Sie weitblickend das, was es tatsächlich zu verstärken gilt. Loben Sie differenziert und konkret, damit ihr Mitarbeiter von Anfang an eine gute Orientierung hat.

Alltags-Überzeugung 5: Gleich zu Beginn müssen Grenzen gesetzt werden!

Selbstverständlich gibt es Situationen, in denen eine Führungskraft Grenzen setzen muss, z.B. wenn Kunden den privaten Ärger Ihrer Mitarbeiter zu spüren kriegen. Auch jede Aufgabe, die ich als Führungskraft setze, begrenzt den Handlungsspielraum des Mitarbeiters. Aber schon hier bin ich als verantwortungsvolle Führungskraft gefragt! Denn ich muss reflektieren, welche Erwartungen ich konkret an die Arbeit meines Mitarbeiters stelle. Erwarte ich, dass sich ein Mitarbeiter in eine Aufgabe „hineinfuchst“, weil er sich mit dem Aufgabenziel identifizieren kann? Und erwarte ich ferner, dass er originelle Wege findet, die Aufgabe zu lösen? – Dann muss ich ihm ausdrücklich Raum dafür zugestehen!

Praxistipp von Klaus Kissel: Dass ein Mitarbeiter nicht nur die Erlaubnis, sondern von ihm geradezu erwartet wird, kreativ und eigenständig zu handeln, muss schon bei der ersten Aufgabe vermittelt werden! Einem neuen Mitarbeiter in den ersten Wochen spielraumlose Aufgaben zu geben und plötzlich Originalität zu erwarten, ist kontraproduktiv.

Übrigens: Grenzen setzen hat auch immer etwas mit der Reflexion der eigenen Grenzen zu tun. Die Pädagogik setzt sich seit mehr als 100 Jahren mit dem Verhältnis von Nähe und Distanz auseinander und ein allgemeingültiges Patentrezept, wie viel Nähe und Distanz zwischen Mitarbeiter und Führungskraft richtig ist, kann es wohl nie geben. Aber es lohnt sich, darüber nachzudenken, ob es nicht auch als Führungskraft möglich ist, sich als Person zu öffnen. Einem neuen Mitarbeiter werden Sie natürlich keinen intimen Details aus Ihrem Privatleben erzählen. Aber die erste Stunde des ersten Arbeitstages mit einer guten Tasse Kaffee und mit ehrlichem Interesse am neuen Mitarbeiter zu beginnen, hat sicherlich noch keiner Führungskraft geschadet.

(Hinweis: Aus Gründen der Vereinfachung wird in weiten Teilen die männliche Form verwendet. Personen weiblichen wie männlichen Geschlechts sind darin gleichermaßen eingeschlossen.)

ifsm – institut für Salesmanagement
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Kontakt:
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Christine Weisrock
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